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Erlebte Geschichte auch im Unterricht? |
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Einsatz der Warhafftigen Historia des fahrenden Schülers bei der Aus- und Fortbildung |
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Gliederung: |
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Hollywood und der Geschichtsunterricht David Cesarani, Professor für jüdische
Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Sauthampton und Direktor der Wiener Library, London, überschrieb seinen lesenswerten Artikel im Observer über die Problematik des Geschichtsverlustes der jüngeren
Generationen: “Hollywood can educate, why can’t historians?” Die warhafftige Historia des Fahrenden Schülers aber ist eine Erzählung besonderer Art, nämlich die authentische Erzählung eines Zeitzeugen. Aus der Perspektive des Reisknaben der im Lande umhervagabundiert,
erfahren Schüler die Wirklichkeit des 16.Jahrhunderts. Mit diesem Erzähler identifizieren sie sich. Durch ihn wird Vergangenheit lebendiger, spannender, bedeutungsvoller. Es sei zum Vergleich der Darbietung des
Raubritter-Unwesens in bundesdeutschen Schulbüchern und in der Erzählung des fahrenden Schülers eingeladen: ein paar moralisierende Sätze über den Zerfall der Ritterideale dort und hier der Raubritter in Aktion. Die Schüler erleben
die Inszenierung seiner Überfälle, das Kidnapping eines Regensburger Bürgermeisters samt seinem Sohn, alles zudem authentisch, den Lebensbeschreibungen des Götz und Schertlin und dem Wehklagen der Regensburger Ratsprotokollanten
zugleich nacherzählt. Klaus Trautner: “Dass Geschichte unterhaltsam sein kann, weil sie auch was zu tun hat mit- der Name sagt’s ja schon - Geschichten-Erzählen und Phantasie hat in der skizzierten Vorstellung keinen Platz.
Aber selbst die, die mit Geschichte absolut nichts am Hut haben, werden zu gebannten Zuhörern, wenn Geschichte leibhaftig als Geschichten erzählender Augenzeuge vor ihnen steht. Es ist halt eine Sache, z.B. die
Hiroshima-Bombe und ihre Auswirkungen als Geschichtsfakten zur Kenntnis zu nehmen, eine ganz andere aber, wenn eine Überlebende erzählt, was sie damals erlebt hat und bis heute am Leibe trägt. Frau Dr. Maria Musiol hat
versucht, einen solchen Augenzeugen für das 16. Jahrhundert aufzutreiben. Kein einfaches Vorhaben! Dass es dennoch gelungen ist, zeigt ihr Buch. Die Zusammenarbeit von Historikerin und Geschichtenerzählerin, die Kombination von
detailliertem Sachwissen... und gründlicher Recherche einerseits und einer an Fakten orientierten Phantasie andererseits haben einen solchen Zeitgenossen entdeckt und zum Leben erweckt. Franziskus Lapidus heißt er. 1502 ist er
geboren und bringt es während seines Lebens vom Ziegenhirten zum Buchdrucker und Lehrer.”Natürlich behält der Erzähler seine Identität nur, wenn man ihm seine Sprache läßt. Darum wurde in der Warhafftigen Historia die Sprache
des 16. Jahrhunderts in ihrer Rhetorik, Bildhaftigkeit beibehalten und flüssig lesbar gemacht, vor allem wurde die für das 16. Jahrhundert typische Verschachtelung der Sätze vereinfacht Die zunächst etwas fremdartige Sprache
, in die man sich aber schnell einliest, soll Schüler zum Sprachvergleich herausfordern, ihnen zu Bewußtsein bringen, wie blutleer ihre deutsche Sprache im Computerzeitalter geworden ist im Vergleich zu der bilderreichen,
rhetorisch aufgeladenen Sprache des Reformationszeitalters.
Die Erzählung des fahrenden Schülers ist kein Schulbuch. Aber sie kann in vielfältiger Weise im Geschichts- und Deutschunterricht zum Einsatz kommen. Darum wird sie auch von den Rezensenten zur Anschaffung für die
Schulbibliothek empfohlen. Das Buch eignet sich nach ihrer Meinung für Referate, Projekte, vor allem aber zur Veranschaulichung der religiösen und sozialen Unruhen in den unteren Bevölkerungsschichten des Reformationszeitalters.
Der Gutachter-Ausschuss für Schülerbibliotheken in Bayern empfahl das Buch in der Broschüre Lesenswert, die im Auftrag des Bayerischen Kultusministeriums herausgegeben wird, primär für den Deutschunterricht der 9.Klassen
(Referat), aber auch auszugsweise für die 5. Klassen (Besprechung von Schwänken usw). Zehn-und Elfjährige haben Spaß an der lustigen Sprache des fahrenden Schülers und setzen die bittere Armut und Gefährdung des kleinen
Reisknaben in Vergleich zu ihrem eigenen Überfluss und ihrer Umsorgtheit. Einsatz findet das Buch ferner in der Geschichtsdidaktik an Universitäten , in der Referendarausbildung und in der Lehrerfortbildung. Dr. Günter
Kosche, Universität Rostock: “Ich bin nicht nur persönlich interessiert, sondern sehe sehr gute Verwendungsmöglichkeiten Ihres Werkes in der studentischen Ausbildung für verschiedene Lehrämter, wenn es um die Frage geht:
Geschichte, Fakten und Fiktion.”
Professor Cesarani schließt seinen Artikel im Observer mit dem Satz: “Instead of wingeing the dons should start working with teachers to improve history teaching of all periods, making it more exciting and meaningful for the
young people on whom our future depends.” Dem ist nichts hinzuzufügen.
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© delorado 2000/2001 |
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